Allzu oft ziehen Trennungen Kündigungsschutzverfahren nach sich, die in einem rechtlichen “Rosenkrieg” enden, bei dem Beschäftigte versuchen, eine möglichst hohe Abfindung zu erlangen. Eine beliebte Methode bei Verhandlungen über eine Abfindung: Der Auskunftsanspruch des Arbeitnehmers gem. Art. 15 Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Im April 2021 entschied das BAG jedoch, dass ein Arbeitgeber keine Kopie der gesamten E-Mail Kommunikation herausgeben muss, um dem Auskunftsanspruch nachzukommen. Dies könnte Arbeitnehmern, die die DSGVO als “Druckmittel” für eine höhere Abfindung missbrauchen wollen, einen Strich durch die Rechnung ziehen.
Ob diese Strategie überhaupt rechtsgemäß ist und was Arbeitgeber tun können, um sich im datenschutzrechtlichen Zusammenhang zu schützen, erklären wir hier. Hierzu haben wir uns außerdem mit den Datenschutzexperten von Fresh Compliance ausgetauscht.
Kann ein Arbeitnehmer immer mit einer Abfindung rechnen?
Was viele nicht wissen: Ein rechtlicher Anspruch auf eine Abfindung existiert grundsätzlich nicht. Eine Kündigungsschutzklage stellt hier keine Ausnahme dar, da diese eher der Feststellung dient, ob die Kündigung überhaupt wirksam war und der Arbeitnehmer weiter beschäftigt werden muss oder nicht. Oft gehen Arbeitgeber der Forderung auf eine Abfindung nur nach, um einen Prozessverlust zu vermeiden, welcher höhere Kosten für das Unternehmen verursachen würde.
Ist der Arbeitgeber allerdings nicht gewillt auf die Forderung des Mitarbeiters der Zahlung einer Abfindung einzugehen, haben sich Mitarbeiter in der Vergangenheit oft auf ihren Auskunftsanspruch berufen. Dieser besagt, dass Beschäftigte, auch nach Ende des Arbeitsverhältnisses, berechtigt sind Auskunft über ihre gespeicherten Daten zu erfragen. Der Knackpunkt: Bisher konnte ein Mitarbeiter Einsicht in alle ihn betreffenden Daten verlangen, was für das Unternehmen einen enormen Arbeitsaufwand bedeutete. Sollten diese Daten nicht fristgerecht oder gar unvollständig überliefert werden, stünde dem Beschäftigten dann Schadensersatz zu. Abgesehen davon, wurde der Auskunftsanspruch oft auch zu dem Zweck ausgenutzt, um zusätzliche den Arbeitgeber belastende Daten zu beschaffen.
Welchen Einfluss hat das neueste Urteil des BAG auf arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen?
Dieser rechtlich fragwürdigen Taktik wurde nun durch ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) ein Ende gesetzt. In dem Fall verlangte ein gekündigter Wirtschaftsjurist den gesamten E-Mail-Verlauf zwischen ihm und dem Arbeitgeber sowie eine Kopie aller E-Mails, die einen Bezug zu ihm haben. Die Entscheidung des BAG hatte vor allem auf eine Bedeutung für der Reichweite des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs, insbesondere wenn dieser als Druckmittel eingesetzt wird. Das BAG stellte nämlich klar, dass pauschale Auskunftsbegehren nicht ausreichen. Es muss vielmehr eindeutig konkretisiert werden zu welchen E Mails der Arbeitnehmer Auskunft verlangt. Demnach müssen alle jemals versendeten oder in Bezug zu dem Arbeitnehmer stehenden E-Mails hingegen nicht herausgegeben werden.
Ab wann spricht man sogar von Rechtsmissbrauch?
Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn etwa in einem Gerichtsprozess der Arbeitnehmer plötzlich auf den Auskunftsanspruch verzichtet, sollte er die begehrte Abfindung vom Arbeitgeber erhalten. Dies deutet darauf hin, dass das Ziel des Auskunftsbegehrens in Wirklichkeit nicht die Datenauskunft selbst, sondern vor allem das Erlangen einer überhöhten Abfindung ist.
Auch wenn eine Entscheidung des EuGH oder nationale Gesetze hierzu noch ausstehen, bietet das Urteil des BAG zumindest einen Ausblick. Bis der Gesetzgeber einheitliche Regelungen schafft, können sich Arbeitgeber bei sehr umfassenden Auskunftsbegehren unter Umständen darauf berufen, dass es einen unangemessenen Aufwand bedeutet und Arbeitnehmer spezifizieren müssen, über welche Daten sie Auskunft erhalten wollen. In der Folge sollte genau geprüft werden, ob überhaupt und welche Daten herauszugeben sind und ob Daten Dritter geschwärzt werde sollten - dies am besten in enger Zusammenarbeit mit dem Datenschutzbeauftragten.
Wie kann man sich als Arbeitgeber schützen?
Sollte ein Mitarbeiter nach einer Kündigung tatsächlich versuchen seinen Auskunftsanspruch als Druckmittel zu nutzen, um eine höhere Abfindung zu gewinnen, ist Vorsicht geboten. Doch wie geht ein Arbeitgeber in dieser Situation richtig vor?
Wir haben hierzu mit einem der Fresh Compliance Gründer und Datenschutzexperten Philipp Heindorff gesprochen. Dabei wollen wir herauszufinden, welche Maßnahmen Arbeitgeber konkret treffen können, um im Falle einer datenschutzrechtlichen Auseinandersetzung innerhalb eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens auf der sicheren Seite zu sein.
1. Wäre es ratsam und zulässig, einen Verzicht auf den Auskunftsanspruch mit Wirkung für die Zukunft bereits im Aufhebungsvertrag zu vereinbaren?
Der Vollständigkeit halber, wollen wir etwas früher ansetzen. Der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO steht grundsätzlich jedem Betroffenen zu. Dieser muss aktiv ausgeübt werden. Daneben bestehen die Informationspflichten nach Art. 13 DSGVO, wonach der Verantwortliche bei Verarbeitung der personenbezogenen Daten, die Betroffenen „von sich aus“ über die verarbeiteten Daten informieren muss. Insofern sollten bereits diese Informationspflichten gut berücksichtigt werden, um später, unabhängig vom Auskunftsanspruch, Probleme zu vermeiden. Auch dies kann in arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen aufgegriffen werden.
Was nun die Frage der Regelung eines „Verzichts im Aufhebungsvertrag“ angeht, so kann dies durchaus eine Möglichkeit sein. Nach unserer Ansicht kann dies zulässig vereinbart werden, da der Mitarbeiter über seine Rechte entscheiden kann. Hierzu gibt es aber noch keine Rechtsprechung, weshalb es nicht abschließend geklärt ist.
2. Inwiefern schützt eine finanzielle Abgeltungsklausel mit Verzicht auf Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung der Auskunftspflicht den Arbeitgeber?
Dies schützt in erster Linie vor etwaigen Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung der Auskunftspflicht (etwa, weil die Monatsfrist nicht eingehalten wurde). Vor der Ausübung und der damit verbundenen Auskunftserteilung, mit den entsprechenden internen Aufwänden, schützt dies wohl eher nicht. Insofern wäre ratsam, daneben den oben genannten „Verzicht auf die Ausübung des Auskunftsanspruches“ zu vereinbaren. Wenn zwar ein möglicher Schadensersatz ausgeschlossen wird, bleibt dennoch der Auskunftsanspruch bestehen und bei Nichterfüllung/ Nichteinhaltung der Frist, besteht immer noch das Beschwerderecht bei der zuständigen Datenschutzbehörde.
3. Wenn es soweit kommt, dass der Arbeitgeber dem Auskunftsverlangen nachgehen muss: Wie kann sich der Arbeitgeber vor weiteren Kosten, insbesondere Schadensersatzansprüchen, schützen?
Die Auskunft nach Art. 15 DSGVO richtig, also in der gesetzlich vorgeschriebenen Form und mit den entsprechenden Inhalten, erteilen. Ganz einfach ;) Hier ist wichtig, dass sowohl gegenüber den Kunden, als auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern, ein Prozess zu Auskunftserteilung etabliert ist und die jeweiligen Besonderheiten bekannt sind.
4. Habt ihr weitere Tipps? Was können Arbeitgeber bereits im Vorfeld unternehmen, um sich vor Ansprüchen ehemaliger Arbeitnehmer zu schützen?
Das Beste ist natürlich eine gute Arbeitgeber- und Mitarbeiterbeziehung auch bis in den Kündigungsprozess, dies ist aber natürlich nicht immer möglich. Insofern sollten sich Unternehmen neben arbeitsrechtlichen Szenarien auch mit datenschutzrechtlichen Pflichten im Hinblick auf das Arbeitsverhältnis auseinandersetzen. Auch hier gelten die datenschutzrechtlichen Grundsätze der „Fairness und Transparenz“! Wenn man als Arbeitgeber dies beachtet und die Prozesse stimmen, muss man eigentlich keine Auseinandersetzung und Probleme fürchten. Immerhin gilt auch hier, dass man sich gegen „rechtsmissbräuchliches Verhalten“ des Mitarbeiters zur Wehr setzen kann. Dies ist immer dann der Fall, wenn es offensichtlich nur zum Zweck einer höheren Abfindung etc. „missbraucht“ wird.
Vielen Dank, Philipp! :)