Man kommt von einem stressigen Arbeitstag nach Hause. So manche unliebsamen Kollegen und Vorgesetzten machen es einem ja bekanntlich nicht immer einfach und viele kennen das sicher: man äußert sich im privaten Kreis gegenüber Freunden oder Familie über genau diese. Aussagen, die vermutlich keiner gerne auf der Arbeit wiederholen würde.
Doch was gilt bei Äußerungen im digitalen Raum, wie etwa WhatsApp?
Können Mitarbeiter in privaten WhatsApp-Chats Beleidigungen über Kollegen und Vorgesetzte äußern, ohne arbeitsrechtliche Sanktionen befürchten zu müssen und wo liegen die Grenzen? Oder ist dies ein geschützter, privater Raum, in dem Vertraulichkeit gilt? Mit dieser Frage befasste sich jüngst ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts.
Was ist passiert?
Der Arbeitnehmer (Kläger) war als Logistikmitarbeiter bereits mehrere Jahre für den Arbeitgeber (Beklagter), einem großen Luftverkehrsunternehmen, tätig. Gemeinsam mit 6 weiteren Teilnehmern war er in einer geschlossenen WhatsApp-Chatgruppe. Diese waren alle langjährig miteinander befreundete Arbeitskollegen und teils sogar verwandt. Neben privaten Themen wurden in den Unterhaltungen auch massive Beleidigungen ausgetauscht. Der besagte Arbeitnehmer sowie weitere andere Mitglieder äußerten sich "in stark beleidigender, rassistischer, sexistischer und zu Gewalt aufstachelnder Weise" über Vorgesetzte und andere Kollegen. Die Äußerungen bezüglich weiblichen Vorgesetzten waren sexualisiert und abwertend. Mord- und Gewaltfanstasien wurden thematisiert. Inhalte der ausgetauschten Nachrichten waren etwa (auszugsweise) “die Idioten sollten vergast werden”, “Ich sehne den Tag herbei wo diese Bude anfängt zu brennen”, “alle aufknüpfen”, “A muss man in die Fresse hauen, so was unqualifiziertes”. Selbst von einem Anschlag war die Rede.
Als der Arbeitgeber durch Zufall vom Chatinhalt erfuhr, kündigte er dem Arbeitnehmer außerordentlich fristlos. In den getätigten fremdenfeindlichen und gewaltverherrlichenden Äußerungen sah er schwerwiegende Pflichtverletzungen des Arbeitsvertrages.
Die Arbeitsgerichte gaben der Kündigungsschutzklage des ehemaligen Arbeitnehmers in erster und zweiter Instanz Recht: die ausgesprochenen Kündigungen seien nicht gerechtfertigt. Jedoch ging der Arbeitgeber in Revision und hatte Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht hob das vorherige Urteil auf und verwies den Fall zurück an die Vorinstanz.
Die Entscheidung
Dem Bundesarbeitsgericht zufolge kommt es im Wesentlichen darauf an, inwieweit man berechtigt davon ausgehen kann, dass der Chat vertraulich ist. Eine Vertraulichkeitserwartung sei demnach nur dann gerechtfertigt, wenn die Mitglieder der Chatgruppe den besonderen persönlichen Schutz eines Bereichs vertraulicher Kommunikation in Anspruch nehmen können. Dies hängt zum einen vom Inhalt der ausgetauschten Nachrichten und zum anderen von der Größe und Zusammensetzung des Gruppenchats ab. Sollten diese Nachrichten beleidigende, herabwürdigende Äußerungen enthalten, bedarf es einer besonderen Erläuterung, warum der Mitarbeiter damit rechnen konnte, dass dieser Inhalt von keinem Gruppenmitglied an Dritte weitergegeben wird. Kann man dies nicht darlegen, ist eine Kündigung wegen der Äußerungen durchaus möglich.
Vertraulichkeitserwartung: Ja oder Nein?
Die Abgrenzung zwischen einem privaten, vertraulichen Raum und einer nicht gerechtfertigten Vertraulichkeitserwartung ist sicherlich schwer vorzunehmen, vor allem bei Äußerungen im digitalen Raum. Man denke etwa an andere soziale Medien (wie z.B. Facebook), die entweder vollkommen öffentlich sind, teils mit eingeschränktem Zugang oder nur privat genutzt werden können. Die aktuelle Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stellt aber deutlich klar: im Gegensatz zu Äußerungen bei öffentlich zugänglichen sozialen Medien, begründet alleine der Umstand einer kleinen privaten WhatsApp-Gruppe, bei der die Mitglieder befreundet/verwandt sind, nicht notwendig einen vertraulichen Raum. Massive Beleidigungen und Hetze gegen Arbeitskollegen stellen eine erhebliche Ehrverletzung jenseits der Meinungsfreiheit dar und rechtfertigen sehr wohl arbeitsrechtliche Sanktionen wie etwa eine fristlose Kündigung gem. § 626 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).
Fazit
Mit seinem Urteil stärkt das Bundesarbeitsgericht Arbeitgeber, die in derartigen Fällen zu rechtlichen Sanktionen greifen dürfen. Sie müssen auch im vermeintlich vertraulichen Raum kommunizierte Hetze oder menschenverachtende Äußerungen nicht einfach hinnehmen und können sie ahnden. Dennoch sollte immer Vorsicht geboten sein und nicht voreilig von einem Kündigungsgrund ausgegangen werden. Eine Abwägung der Interessen im Einzelfall ist stets zu empfehlen.
Arbeitnehmern ist insbesondere anzuraten, besser zweimal darüber nachzudenken, welche Inhalte sie über Kollegen in sozialen Medien wie WhatsApp austauschen. Derartige Chat-Gruppen sollten mit Bedacht genutzt werden. Sich in jedem Fall auf Vertraulichkeit zu verlassen, ist offensichtlich keine gute Idee. Wie der Anwalt des Arbeitgebers bereits feststellte – was ein sehr überzeugendes Argument zu sein schien – “das Internet ist kein rechtsfreier Raum.”
Meinungsfreiheit, Beleidigungen & Schutzpflichten des Arbeitgebers
Artikel 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) sichert jedem das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten. Dieses grundgesetzlich geschützte Recht auf Meinungsfreiheit gilt auch im Arbeitsverhältnis.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung hat allerdings auch Grenzen. Diese zeigt Art. 5 Abs. 2 GG auf: “Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.” Dazu gehört auch der Straftatbestand der Beleidigung.
Beleidigungen sind also nicht durch die Meinungsfreiheit geschützt. Wann eine Äußerung als Beleidigung zu werten ist, kann im Einzelfall eine Frage der Abwägung sein.
Im oben dargestellten Fall war dies allerdings unstrittig.
In einem Arbeitsverhältnis gibt es darüber hinaus noch einige Besonderheiten zu beachten:
Gemäß § 241 BGB gilt im Arbeitsverhältnis eine gegenseitige Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und sonstigen Interessen der jeweils anderen Partei.
Hieraus folgt die so genannte Treuepflicht des Arbeitnehmers: Verletzt er diese, z.B. durch Aussagen, die den Betriebsfrieden ernsthaft stören, kann der Arbeitgeber dies grundsätzlich ahnden.
Gleichermaßen trifft den Arbeitgeber die so genannte Fürsorgepflicht: so hat er z.B. den Arbeitnehmer gegen Gefahren für sein Leben und seine Gesundheit, sexuelle Belästigung, Mobbing und diskriminierenden Benachteiligungen zu schützen.
Angemessene Maßnahmen müssen ergriffen werden, um die Arbeitnehmer am Arbeitsplatz zu schützen und sie vor physischen oder psychischen Schäden zu bewahren. Im Falle einer Verletzung der Fürsorgepflicht kann der Arbeitnehmer klagen und eine Entschädigung in Geld erhalten. Der Arbeitnehmer kann auch berechtigt sein, sein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund zu kündigen und zusätzlichen Schadenersatz zu verlangen.